Der Lotse geht von Bord

Johannes Zippel am Klavier

Neues altes Hobby: Johannes Zippel am Klavier in seinem Haus in Rödgen.

 

Burkhard Möller

Von Burkhard Möller 
Gießener Allgemeine Zeitung

 

Er war Geburtshelfer der »neuen« FWG in Gießen. Er hat die Weichen gestellt für Großprojekte wie die Galerie Neustädter Tor oder den Rathausbau. Er hat aber auch die Schattenseiten der Politik erlebt. Nach 25 Jahren zieht sich Johannes Zippel bei den Freien Wählern aus der ersten Reihe zurück. Ganz aufhören wird der 74-jährige Stadtrat aber nicht. »Es macht mir immer noch Spaß«, sagt der Rödgener im Interview.

Herr Zippel, Sie waren vor 25 Jahren der Geburtshelfer der »neuen« Freien Wähler Gemeinschaft in der Stadt Gießen. Hatten Sie damals eine Vorstellung davon, was daraus werden könnte?

Das fing im Sommer 1996 damit an, dass der frühere Landrat Ernst Klingelhöfer die Idee hatte, in Gießen eine eigenständige FWG zu gründen, weil sich etliche Interessenten angesammelt hatten. Das waren 40 Leute, für den Anfang eine enorme Zahl. Das lief zunächst unter der Überschrift »Bürger für Gießen«. Ein FWG-Stadtverband - mit mir als Vorsitzendem - wurde erst im Sommer 1997 gegründet. Es kam dann im Herbst 1996 zu der legendären Versammlung, bei der ich eher spontan zum Spitzenkandidaten für die Wahl zum Stadtparlament im März 2001 gewählt wurde, weil ich wohl eine ganz gute Rede gehalten habe. Im Vorfeld hatte es große Aufregung gegeben, weil sich ein prominenter Gießener CDU-Politiker für die Spitzenkandidatur in Stellung gebracht hatte.

Den Namen können wir ruhig nennen: Es handelte sich um den früheren CDU-Stadtverbandsvorsitzenden Hermann Hubing.

Genau. Herr Hubing glaubte, dass er in der CDU bleiben und gleichzeitig für die FWG bzw. die Liste »Bürger für Gießen« kandidieren kann, weil die Freien Wähler keine Partei, sondern ein Verein sind. Da hat die CDU aber nicht mitgespielt und ihm mit einem Parteiausschluss gedroht.

Sie haben auch eine Vergangenheit in der CDU.

Ich saß für die CDU bis in die 1980er Jahre hinein im Stadtparlament und später im Ortsbeirat Rödgen. Mein Stadtverordnetenmandat hatte ich 1987 aus Verärgerung über die Haltung der Stadt-CDU zur Ortsumgehung Rödgen abgegeben. Im Zuge der Aufstellung einer Bürgerliste für die Kommunalwahl habe ich die CDU im Herbst 1996 verlassen.

Sie waren über Nacht in den Schlagzeilen. Was hat denn Ihre Familie gesagt?

Die hat mich bestärkt, zu den Freien Wählern zu wechseln. Mein Sohn war damals bereits für die FWG in Buseck aktiv. Auch meine Frau Edith, die im März 2020 leider verstorben ist, hat mich immer unterstützt. Sie kam aus einer kommunalpolitisch engagierten Familie. Ihre Tante war Marie Schorge, die letzte Bürgermeisterin der selbstständigen Gemeinde Rödgen.

Die Kommunalwahl 1997 wurde ein großer Erfolg für die FWG und Sie.

Wir holten auf Anhieb 7,6 Prozent und gewannen fünf Mandate. Wir spielten gleich eine wichtige Rolle, weil die zerstrittene rot-grüne Koalition nur eine Stimme Mehrheit hatte. Ohne uns wäre 2000 kein Flächennutzungsplan beschlossen worden - mit enormen negativen Folgen für die Stadtentwicklung.

Danach ging’s bergab.

Stimmt nicht. 2001 konnten wir den Erfolg mit 7,4 Prozent und vier Mandaten fast wiederholen, obwohl die Fünf-Prozent-Hürde wegfiel und es mehr Fraktionen gab. Wir stellten in der bürgerlichen CDU/FWG/FDP-Koalition die zweitstärkste Fraktion. Wir hatten aber auch nur eine Stimme Mehrheit - und dann gab es die Querelen bei uns.

Sie meinen die - auch zwischenmenschlich heftigen - Auseinandersetzungen mit Ihrem Fraktionskollegen Bernhard Hasenkrug. Verfolgt Sie das noch?

Das nicht, aber die Folge dieses Streits war, dass wir bei der Wahl 2006 abgestürzt sind. Es gab damals in der Öffentlichkeit wenig Verständnis dafür, dass wir dieses Personalproblem nicht schneller gelöst haben. Das war aber nicht so einfach. Die Freien Wähler sind ein Verein und keine Partei mit einem Statut. Da wird man jemand nicht so schnell los. Er ist dann zur Bürgerliste gewechselt, hat sein Stadtverordnetenmandat aber behalten. Damit war die Koalitionsmehrheit weg, und das fiel vor allem auf uns zurück.

Seit der Kommunalwahl 2006 stagnieren die Freien Wähler zwischen vier und fünf Prozent. Wie ist das zu erklären?

Wir haben als FW-Stadtverband auch jetzt noch stadtweit immerhin zwölf Mandate in Stadtparlament, Ortsbeiräten und Kreistag.

Ihr Problem scheint die Kernstadt zu sein.

Wir haben schon viel probiert, um in der Innenstadt mehr Zustimmung zu erhalten, aber den richtigen Dreh haben wir noch nicht gefunden. Ein Grund ist sicherlich, dass sich die Parteienlandschaft stark ausdifferenziert hat. Als es die Fünf-Prozent-Hürde noch gab, gab es vier Fraktionen, heute neun oder zehn. Da wird der Kuchen für alle kleiner. Das hat auch die letzte Wahl gezeigt: Bei den absoluten Stimmen haben wir zugelegt, aber prozentual hat es sich nicht ausgewirkt.

Sie haben vor der letzten Kommunalwahl auf eine bürgerliche Mehrheit gesetzt, aber die ist in Gießen so weit weg wie nie zuvor. Warum?

Wir haben uns mit den Interessen der jüngeren Menschen vielleicht nicht intensiv genug auseinandergesetzt, obwohl wir sehr aktiv in den Sozialen Medien waren und auch eine große Reichweite erzielt haben. Mit der Hauptversammlung heute Abend führen wird einen Generationswechsel herbei, der einen Beitrag leisten kann, auch in der Innenstadt mehr wahrgenommen zu werden. Der Stadtverband hat fast 120 Mitglieder; eine starke Basis ist also vorhanden.

Die FW waren angeblich als dritter Koalitionspartner für Grüne und SPD im Gespräch. Was ist da dran?

Die Sondierungsgespräche, die geführt wurden, haben sich gut angelassen. Mein Eindruck war, dass es an einigen handelnden Personen lag, dass man sich nicht einigen konnte, nicht an Sachfragen. Wir hatten zum Beispiel eigene Vorstellungen zum Klimaschutz entwickelt, die haben auch die Grünen überrascht. Aber gerade bei den Grünen gibt es große Unterschiede zwischen Stadt und Kreis, wo wir reibungslos zusammenarbeiten. Die Stadtfraktion der Grünen hat sehr viele junge Mitglieder, die vom studentischen Milieu geprägt sind und ihre Vorstellungen eher ultimativ vorbringen - ohne Rücksicht auf andere Interessenlagen oder Kosten.

Eine persönliche Frage zum Abschluss. Sie haben mit dem Tod Ihrer Frau einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen müssen. Wie wichtig ist Ihnen vor diesem Hintergrund das politische Engagement?

Meine Frau und ich hatten eigentlich geplant, dass ich mit der Kommunalwahl 2021 aufhöre, dann ist sie im März 2020 plötzlich gestorben. Ich bin gebeten worden, noch ein Jahr als Stadtverbandsvorsitzender dranzuhängen. Das habe ich auch gemacht, weil ich unter Leuten sein wollte. Die politische Arbeit lenkt ab, und sie macht mir nach wie vor - ob als Stadtrat, Kreistagsabgeordneter oder Ratgeber - sehr viel Spaß.

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